Auf einen Blick:

  •  ÖPNV hat oberste Priorität
  • Eschenhahn hat beste ÖPNV-Anbindung aller Stadtteile
  • Ortsumgehung soll ÖPNV nicht einschränken
  • Umwandlung der B275 in einen Radweg in Überlegung
  • Mehr Züge nach Frankfurt? Auch S-Bahn-Verlängerung in Diskussion
  • Tournesol und Helios-Klinik sollen besser angebunden werden
  • Taktverdichtungen des Busses und Rufbus sollen Qualität erhöhen
  • Benachbarte Mittelzentren wie Königstein oder Bad Schwalbach nicht angebunden

 

Der im Mai 2021 durch das Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme (IVAS) in Dresden vorgestellte Verkehrsentwicklungsplanentwurf Idstein 2035 bezieht in großem Maße die Ortsteile mit in die Planung ein und ist somit auch ein Verkehrsentwicklungskonzept für Eschenhahn. Hierbei geht es nicht nur um die aktuelle Verkehrsführung, sondern perspektivisch auch um die Einbeziehung der geplanten Umgehungstraße und der geplanten Ortserweiterung durch Neubau. Der vorliegende Entwurf liegt bei den Ausschüssen und der Stadtverordnetenversammlung vor. Zum Teil sind die Diskussionen auch schon viel weiter vorangeschritten, als zum Zeitpunkt, als das Konzept abgefasst wurde. Ich möchte hier trotzdem einen Einblick in den Inhalt vermitteln und die für Eschenhahn interessantesten Passagen hervorheben, die für eine Diskussion am geeignetsten sind.

Der Plan besteht aus drei Teilen. Ich werde in meinem Kommentar wie folgt daraus zitieren: II/23 bedeutet z.B. Seite 23 des zweiten Teils.

Anteil der Kinder und Senioren nimmt überproportional zu

Grundlage für das Verkehrskonzept ist zum einen der Bevölkerungsanstieg in Idstein, die mit zuletzt 7% angegeben wird. Die Nachfrage nach Bauland und Mietwohnungen steigt also einerseits, andererseits nimmt aber auch der Verkehr spürbar zu, was man unter anderem an der B275 sehen kann. Dabei hebt IVAS hervor, dass besonders zwei Bevölkerungsgruppen überdurchschnittlich wachsen werden, nämlich Kinder unter 10 (36%) und Senioren (48%), während die Bevölkerungsgruppen dazwischen nur um 4 bis 6 wachsen werden (I/3). Daraus, und aus den Erfordernissen, die sich aus den Anforderungen des Umweltschutzes ergeben, schlussfolgern die Ingenieure, dass dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) in der Planung unbedingte Priorität eingeräumt werden muss.

Idstein entwickelt sich immer mehr von der reinen Schlafstadt zum lebendigen Mittelzentrum und zieht langsam mit anderen Rhein-Main-Zentren wie Wiesbaden oder Offenbach gleich: Der Anteil der in Idstein sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist in den letzten 10 Jahren um ein Drittel gestiegen (I/3). Dennoch bleiben auch die Pendlerströme nach Wiesbaden und Frankfurt unverändert stabil.

PKW: Fast 10.000 Fahrzeuge durchqueren täglich Eschenhahn

Nicht überraschend ist die Feststellung des Ingenieurbüros, dass die durch Eschenhahn verlaufende B275 eine hohe Verkehrsbelastung aufweist. Eine Messung ergab hier zuletzt ein Aufkommen von 9.200 Fahrzeugen täglich. Damit hat sich die Verkehrsbelastung seit 1998 verdoppelt (I/11f.). Problematisch kommt hinzu, dass die Verkehrsführung in Eschenhahn sehr beengt ist, was am östlichen Ortseingang bisweilen auch zu Fahrradunfällen führt (I/25).

Allerdings verfügt Eschenhahn dadurch mit 42 Fahrtenpaaren der Buslinien 269 und 271 auch über die beste Anbindung aller Idsteiner Stadtteile. IVAS hält hierzu fest: “In Eschenhahn werden sich die Bedingungen mit Realisierung der Ortsumgehung im Zuge der B275 gravierend ändern, weil die derzeitige Ortsdurchfahrt dann nicht mehr durchgängig befahren werden kann” (I/36). Konkreter heißt es dazu an anderer Stelle: “Mit dem Bau der Ortsumgehung Eschenhahn verschlechtern sich die Bedingungen für die ÖPNV-Anbindung dahingehend, dass eine einfache Durchfahrt durch die gesamte Ortslage aufgrund der Ausbildung als Sackgasse nicht mehr möglich sein wird” (III/31). Das Ingenieurbüro mahnt daher “… sicherzustellen, dass die dichte ÖPNV-Bedienung der Ortslage erhalten bleibt, auch wenn dies teilweise Umwege bedeutet” (III/31). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten Ortserweiterung und perspektivisch steigenden Einwohnerzahl.

Rad: Wird aus der B275 ein Radweg?

Die von der Kölner Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen herausgegebene Empfehlung für Radverkehrsanlagen (ERA) sieht separate Radwege bei einer Verkehrsbelastung ab 10.000 Fahrzeugen pro Tag vor (I/49). Das heißt, Eschenhahn ist kurz davor, dieses Kriterium zu erfüllen und bei dem anhaltend steigenden Verkehrsaufkommen müsste sogar in nächster Zeit damit zu rechnen sein. Damit verbunden ist die Frage nach der Nutzung der Fahrbahn des obsolet werdenden B275-Teilstückes, nachdem Eschenhahn Sackdorf geworden sein wird. Hier könnte also durch eine Umwidmung der ehemaligen B275-Teilstrecke in einen Radweg das Angenehme mit dem Nützlichen verbunden werden und auch IVAS hält fest: “Der Neubau der OU Eschenhahn stellt hier eine Chance zur Behebung dieses Defizits dar” (I/52)

Bahn: Gebäude verrottet und zu wenig Fahren nach Frankfurt

Idstein ist gut durch die Regionalbahn an Frankfurt und zum Teil (zwei mal täglich, sonst mit Umsteigen in Niedernhausen) angebunden. Allerdings stellt IVAS dazu fest: “Die Fahrtenhäufigkeit des Schienenpersonenverkehrs (SPNV) nach Frankfurt und Wiesbaden entspricht nicht der Bedeutung der zukünftigen Pendlerströme” (II/5). Die Ingenieure träumen gar von einer Verlängerung der S2 von Niedernhausen nach Idstein (II/5).

Das Bahnhofsgebäude wirkt heruntergekommen und es fehlen – auch für den benachbarten Busbahnhof – frei zugängliche Toiletten. Die Stadt hat das Bahnhofsgebäude nun erworben und man darf gespannt sein, inwiefern dies zur Verbesserung seiner Nutzbarkeit beiträgt (I/41).

Bus: Tournesol und Helios-Klinik ohne Anbindung

Defizite bestehen vor allem – in erster Linie aus Sicht der Ortsteile – in der Regionalbusabdeckung: Hier sind etwa die Helios-Klinik sowie das Tournesol-Bad aktuell komplett ohne Anschluss (I/35). Beide Ziele sollen künftig durch Haltestellen an das Busnetz angebunden werden, wobei die Tournesol-Anbindung als nicht unerwünschten Nebeneffekt eine Verbesserung des Busverkehrs zur Grundschule auf der Au zur Folge hätte, da beide Ziele durch einen Fußweg verbunden sind (III/57).

IVAS hält Taktverdichtungen des Busverkehrs für essentiell. Der Umstand, dass unter der Woche um 22:09 Uhr der letzte Bus Richtung Eschenhahn den Idsteiner Bahnhof verlässt, wird in keiner Weise den Ansprüchen und Zielen der Idsteiner Stadt- und Verkehrsplaner gerecht.

Um mangelnde Busverbindungen abzudecken, schlagen die Ingenieure außerdem die Einrichtung eines Rufbus-Systems vor, räumen aber gleichzeitig ein, dass die Reservierung einer Fahrt insbesondere für Kinder und Senioren – also für die am meisten wachsende Zielgruppe eine große Barriere darstellt (I/37).

Regionale Anbindung: Königstein oder Bad Schwalbach?

Interessanterweise bemängelt das Ingenieurbüro eine unzureichende Anbindung an das benachbarte Mittelzentrum Königstein (II/5). Das mag zwar zutreffen, wirft jedoch die Frage auf, warum der wichtige Verwaltungssitz des Idsteiner Landes, nämlich Bad Schwalbach, so schlecht mit dem ÖPNV zu erreichen ist. Wer von Idstein nach Bad Schwalbach möchte, beispielsweise zum Finanzamt oder zur Ausländerbehörde, muss mindestens einmal umsteigen, z.B. in Hahn und benötigt für diese Strecke mindestens eine Stunde mit dem Bus, also die doppelte Fahrzeit, als wenn man nach Frankfurt fahren würde.

Fazit

 Der Verkehrsentwicklungsplan setzt ganz auf die Mobilitätswende und stellt somit den ÖPNV zu Recht in den Mittelpunkt, denn letztlich wird ein gut ausgebauter ÖPNV auch Erleichterung für den Individualverkehr auf den Straßen bringen. Viele Punkte wie z.B. die S-Bahn-Verlängerung scheinen jedoch in weiter Ferne zu stehen, was Realisierungswahrscheinlichkeit und Finanzierung betrifft. Dass die Eschenhahner Ortsumgehung einen massiven Einschnitt in den ÖPNV darstellt wie auch die geplante Ortserweiterung, ist nicht nur ein Risiko, sondern kann auch als Chance begriffen werden. Folgende Fragen könnten dabei im Mittelpunkt stehen:

  • Ist eine Umwidmung der B275 zum Radweg nach erfolgter OU-Fertigstellung sinnvoll und realistisch?
  • Wie könnte eine Neustrukturierung des Haltestellensystems aussehen?
  • Würde eine Wiederbelebung des alten Buswendeplatzes und Einrichtung eines zweiten Buswendeplatzes am Ende der Sackgasse Sinn machen?
  • Brauchen die Busse eine Erhöhung der Taktung?

Welche Ideen oder Fragen haben Sie dazu? Schreiben Sie an info@eschenhahn.de